Zieglers neuer Forstexperte: Expansion für den Klimaschutz? | OberpfalzECHO

2022-09-10 12:54:41 By : Ms. Carro Ji

Plößberg. Im vierten Teil der OberpfalzECHO-Serie „Vom Wald zum Fertighaus – die klimapositive Vision einer Stadt aus Holz“, stellen wir Henrik Ratzow, den neuen Forstexperten der Ziegler Group vor. Wie passt ein Klima- und Umweltschützer zum dynamischsten Unternehmen der nördlichen Oberpfalz?

Ratzow: Ich habe Forstwissenschaften in Göttingen studiert. Weil mich Holz schon immer fasziniert hatte, und ich möglichst viel selber machen will, habe ich noch eine Tischler-Ausbildung drangehängt.

Ratzow: Am Geomar in Kiel habe ich mich schon in der Schulzeit intensiv mit dem Klimawandel beschäftigt, eine sehr eindrucksvolle Lektion in so jungen Jahren. Ich bin in Kiel geboren, groß geworden und war dort bis zum Zivildienst. Es gibt zwei große für das Klima relevante Ökosysteme, das Meer und die Wälder. Im Wald habe ich mich immer wohl gefühlt, da lag die Auswahl nahe. Diese Sichtweise hat an der Uni allerdings kaum eine Rolle gespielt.

Die Idee der Nachhaltigkeit ist schließlich aus der Forstwirtschaft entstanden, sie hat den Grundstein für diese Denkweise gelegt.

Vieles von dem, was ich im Waldbau gelernt habe, sehe ich ähnlich wie Wohlleben kritisch. Aber die Notwendigkeit des Waldumbaus, dass wir wegmüssen von den Fichtenmonokulturen, war bereits ein Thema. Das dauert halt lange. Nicht beleuchtet wurde dagegen, dass die Wuchsform in puncto Klimarobustheit eine Rolle spielt. Anders als Wohlleben würde ich die Forstwissenschaften aber trotzdem nicht gleich in Grund und Boden verdammen. Die Idee der Nachhaltigkeit ist schließlich aus der Forstwirtschaft entstanden, sie hat den Grundstein für diese Denkweise gelegt. Statt Radikalopposition würde ich lieber neue Impulse setzen.

Ratzow: Der Klimawandel wurde an der Uni in Göttingen damals noch nicht wirklich thematisiert, obwohl er schon klar absehbar war. Ich habe auch noch Lehrmeinungen gelernt, die mittlerweile einfach falsch sind. Aber sich so pauschal von so einem großen und wichtigen Themenfeld wie der durchaus industriellen Holznutzung zu verabschieden und so eine vehemente Opposition aufzubauen, geht völlig an den Problemen unserer Zeit vorbei. Ich halte es für gefährlich und falsch.

Ratzow: Ja, ganz deutlich. Gerade Holzbau im großen Stil ist effizient. Das was Ziegler macht, ist meiner Meinung nach zukunftsweisend.

Wir haben auch nichts davon, wenn wir ein Geschäftsfeld aufbauen und gleichzeitig unsere Ressourcen innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte verschleißen.

Ratzow: Ja, das müssen wir. Wir haben auch nichts davon, wenn wir ein Geschäftsfeld aufbauen und gleichzeitig unsere Ressourcen innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte verschleißen.

Ratzow: Ziegler ist in dieser Hinsicht das spannendste Unternehmen, das ich kenne. Die Integration von Wald, der Holzproduktion und der Fertigung von Holzhäusern unter einem Dach bietet Chancen, den gesamten Prozess der Bauwirtschaft effizienter zu gestalten. Das geht weit darüber hinaus, was heute möglich ist.

Ratzow: Ich bin drei Monate dabei. Dass ich nicht gerade als industriefreundlich gelte, zeigt, wie offen Ziegler für neue Ideen ist – und für Mitarbeiter, die etwas verändern wollen, die Begeisterung mitbringen.

Ratzow: Im Moment ist die Produktzertifizierung meine Aufgabe, damit unsere Produkte wie „Naturheld“, der Markenname der Dämmstoffe, die wir in Hütten herstellen, baurechtlich alle Anforderungen erfüllen.

Ratzow: Naja, wir haben einen sehr guten Kohlenstoff-Offset, dadurch, dass das Holz, das wir nutzen, langfristig Kohlenstoff bindet. Das ist besser, als jede andere Industrie. Und gleichzeitig erhält es auch Arbeitskräfte und die Möglichkeit zu Privateigentum und Privateinkommen zu kommen, was sonst schon kritisch ist.

Ein Geschäftsmodell, das nicht nur ein grünes Feigenblatt für eine Struktur ist, die eigentlich schon lange ein Auslaufmodell ist.

Wir brauchen ja auch eine Möglichkeit für jeden einzelnen, sich zu verwirklichen, zu wachsen, zu lernen – einer Tätigkeit nachzugehen, die sich gut anfühlt, die konstruktiv ist, und dafür braucht’s Geschäftsmodelle. Wir haben die Möglichkeit, diese Geschäftsmodelle mit Inhalt, mit Sinn zu füllen, mit einer Ausrichtung zu versehen, die tatsächlich zukunftsfähig ist und nicht nur ein grünes Feigenblatt für eine Struktur, die eigentlich schon lange ein Auslaufmodell ist.

Ratzow: Es war tatsächlich eine sehr bewusste Entscheidung, ich fand den Ansatz von Ziegler sehr interessant und auch zukunftsweisend. Bei mir war das tatsächlich so, ich hatte an einem Abend eine Bewerbung geschrieben und am nächsten Tag, noch bevor ich diese Bewerbung abgeschickt hatte, einen Anruf von Daniel Lang bekommen, meinem jetzigen Chef, mit der Frage, ob ich nicht dort arbeiten möchte.

Ratzow: Nein, in dieser Nische, in der ich mich qualifiziert habe, gibt es relativ wenige Leute, die sich mit Bauproduktrecht auseinandersetzen und diesen ganzen Wertschöpfungsprozess vom Baum bis zum fertigen Holzhaus oder Möbelstück abbilden können – das passte schon wie die Faust aufs Auge.

Ratzow: Ich habe nach meinem Forstwissenschaftsstudium bis zu einer Verletzung selbstständig im Wald gearbeitet – danach noch eine handwerkliche Lehre als Tischler und Restaurator angeschlossen. Und dann in der holzverarbeitenden Industrie gearbeitet – spezialisiert auf einen Bereich, der jetzt sehr wichtig ist für uns.

Ratzow: Genau. Man darf nicht einfach eine Industrie aufbauen, irgendwas produzieren und verkaufen, sondern die Produkte müssen bestimmten Standards entsprechen, gerade im Bau. Weil es da um Sicherheitsvorschriften geht, um Brandschutz, Festigkeit, Stabilität, Statik. Das muss alles nachgewiesen werden und dieser Nachweisprozess ist recht aufwändig und recht speziell. Da muss man sich gut einlesen, muss auch einigermaßen vernetzt sein, um erst einmal herauszufinden, welches Produkt welche Anforderungen erfüllen muss und das dann nach und nach umsetzen. Durch Zertifizierungsprogramme, durch Prüfungen, durch Produktentwicklungen, die auch tatsächlich dem Markt gerecht werden.

Ratzow: Sehr anders. Ich denke, dass unsere Gesellschaft in diesem Jahrzehnt die stärkste Veränderung seit dem Zweiten Weltkrieg erfährt – und zwar in eine deutlich nachhaltigere Richtung. Meiner Meinung nach werden wir schon 2030 keine Möglichkeit mehr haben, im großen Stil fossile Energieträger im privaten Sektor zu nutzen. Im öffentlichen Sektor wird es sicher noch einige Bereiche geben, die sich nicht anders abdecken lassen. Das bedeutet auch, dass wir die Produkte, aus denen wir auswählen können, zum Beispiel beim Bauen, deutlich verändern.

Wir sind mittlerweile der Lösung näher als wir es noch vor wenigen Jahren waren – und das ist etwas das mich persönlich optimistisch stimmt.

Die Kohlenstoffmenge ist für nahezu alles entscheidend, was wir machen. Wenn wir Produkte verwenden, die Kohlenstoff binden, werden die relativ günstig sein. Wenn wir Produkte kaufen, die eine hohe Emission verursachen, werden die sehr teuer sein. Das wird unsere Gesellschaft hoffentlich nicht zerstören, aber verändern. Bei meiner Generation bin ich da schon sehr optimistisch.

Wir haben sehr viele Leute, die sich des Problems bewusst sind, die kreative Lösungen anbieten. Ich hoffe, dass sich unsere Gesellschaft diesen Lösungsmöglichkeiten öffnet. Vielleicht auch einige Fehler, einen Wachstumsprozess zulässt, ohne gleich alles bürokratisch zu zementieren. Wir sind mittlerweile der Lösung näher als wir es noch vor wenigen Jahren waren – und das ist etwas das mich persönlich optimistisch stimmt.

Ratzow: Nicht für alle. Für ländliche Regionen, in denen der Energiebedarf bisher größtenteils durch Öltanks gedeckt wurde, ist das eine sinnvolle Option. In dichter besiedelten Regionen ist das Anlegen von Fernwärmenetzen mit einer sehr effektiven Wärmeerzeugung in Müllkraftwerken oder Restkraftwerken oder nutzbare Prozesswärme, die anfällt, besser. Wichtig ist aber auch, dass die Gebäude einen Standard haben, mit dem sie sehr wenig Energie brauchen.

Ratzow: Umgekehrt wird CO2 freigesetzt, sobald Bäume absterben. Nur wenn Holz und Laub unter Wasser wie in Mooren abgeschnitten von Luftsauerstoff verrottet, kann es nicht weiter oxidieren. In einem Prozess von Niedermoor zu Hochmoor erfolgt so ein langfristiger Austrag ins Ökosystem.

Ein Holzhaus, das richtig konstruiert und genutzt wird, kann ewig halten.

Oder man bindet das CO2 eben langfristig im Holzbau. Ein Holzhaus, das richtig konstruiert und genutzt wird, kann ewig halten. Bauteile von Holzhäusern können später auch anders wieder verwendet werden und müssen keinesfalls als Brennholz enden. Man kann mit Holz extrem dauerhaft bauen.

Ratzow: Im Überfluss haben wir Buchenholz. Früher wurde Buche ausschließlich für Treppenstufen eingesetzt, das Holz ist druck- und abriebfest, verformt sich aber stark und ist anfällig für Pilze und Insekten. Durch die aufwändige Verarbeitung zu Furnierschichtholz kann man Buche auch als leistungsfähigen Baustoff einsetzen, aber das ist eine Nische.

Moderner Holzbau funktioniert hauptsächlich mit Nadelholz. Fichte ist elastisch und eignet sich besonders gut. Esche und Eiche haben ebenfalls ein hervorragendes Holz, sind aber knapp und teuer und wachsen langsam. Die Erstaufforstung von geeigneten Flächen mit Nadelholz ist sehr viel effektiver.

Ratzow: Ja. Wir haben aber mehrheitlich auch noch ein Waldbild, das forstlich sehr stark geprägt ist durch ein nutzungsorientiertes Herangehen. Wo im Vordergrund steht, auf einer möglichst kompakten Fläche möglichst viel Bauholz zu schaffen. Und das ist ein Ansatz, den müssen wir flächenbezogen überdenken. Der funktioniert nicht auf allen Flächen. Aber auch das ist letztendlich ein marktwirtschaftliches Herangehen, weil niemand mehr ernsthaft versuchen wird, Fichtenmonokulturen zu etablieren, wo sie schon einmal komplett ausgefallen sind, weil das einfach eine Fehlinvestition ist.

Wir sehen eben auch, dass sich Wälder stabilisieren, wie hier, wo sehr viel natürlich gewachsenes Jungholz vorhanden ist, wo das Einmischen von robusteren Baumarten gut funktioniert.

Das gab`s vor 15 Jahren durchaus noch, dass Leute sich entschieden haben, die Zeichen der Zeit zu ignorieren, aber mittlerweile ist das vorbei. Und auch wenn wir noch Waldschäden sehen, sehen wir eben auch, dass sich Wälder stabilisieren, wie hier, wo sehr viel natürlich gewachsenes Jungholz vorhanden ist, wo das Einmischen von robusteren Baumarten gut funktioniert. Ich gehe davon aus, dass die Wälder nicht verschwinden werden, sondern sich, wenn wir sie vernünftig behandeln, weiter stabilisieren und weiter nutzen lassen.

Ratzow: Man muss sich genau anschauen, was auf diesen Flächen passiert: In Asien und Südamerika werden Urwälder für die Produktion von Futter, Fleisch und Palmöl gefällt, Produkte, die für den Weltmarkt relevant sind, nicht für die eigene Bevölkerung. Wenn man die CO2-Bepreisung klimafreundlich gestaltet, werden die Kosten auf den Produktpreis umgelegt. Das wird unser Verhalten verändern. Und schließlich ist die Klimakrise die Konsequenz unseres Verhaltens und unserer Anzahl.

Ratzow: Ich bin gelernter Tischler, habe in einer Restauratorenwerkstatt gearbeitet. Ich würde nicht sagen, dass Möbel kurzlebig sind. Man darf sich nur nicht einbilden, alle paar Jahre eine neue Küche zu brauchen. Es lohnt sich sogar, Ikea-Möbel instandzusetzen. Und wer unbedingt einen Tapetenwechsel braucht, kann sie auch kreativ umgestalten. Für Wegwerfprodukte ist Holz zu schade – die werden aber dann auch unbezahlbar.

Ratzow: In einem Zwischenschritt könnte man dazu das Grünland in den Mittelgebirgen nutzen. Ein Großteil aller Flächen, die früher zur Futtergewinnung als Weideflächen genutzt wurden, weil sie zu steil für die Ackerwirtschaft sind, werden nicht mehr genutzt. Sie werden noch mit Mulchern und Mähern freigehalten, weil es dafür Flächenprämien gibt – 300 Euro je Hektar. Da sehe ich großes Potential für neue Wälder.

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